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Die Geschichte des Amerika-Instituts - Schicksalsjahre 2000-2010
Die Ludwigstraße war teilweise gesperrt. Den Button der Demonstranten trug sie Jahre nach den Protesten 2003. Die Aufschrift: „Save the Amerika-Institut.“ Nina Weißer studierte am Amerika-Institut in den 2000er Jahren. Diese Dekade am Amerika-Institut war eine der Veränderung, des Kampfes um das Institut und des Zusammenhalts. Prägende Ereignisse reichten von erneuter Existenzgefahr und Protesten, bis hin zu prestigeträchtigen Kooperationen, hohem Besuch, beschwingten Seminaren und einem Seminar in Washington, DC.
Doktorandin Nina Weißer hat die Proteste der Studierenden des Institutes 2003/4 miterlebt. Sie ging mit auf die Straße, um die bevorstehende Schließung des Instituts zu protestieren. Die Demonstrationen auf der Ludwigstraße reichten von der Universität bis zum Odeonsplatz. Das Motto des Protestes war „Save the Amerika-Institut.”
Klaus Benesch nennt dieses Jahr, 2003, das „Schicksalsjahr der Amerikanistik.“ Die bevorstehende Schließung war bedingt durch ein Dekret des Bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber, das unter Fiskalen Sparmaßnahmen Professuren zu streichen vorschlug. Das Amerika-Institut sollte im Zuge dessen komplett abgeschafft und eine verbleibende Literaturprofessur der Anglistik angegliedert werden.
Der Aufschrei unter den Studierenden war groß. Organisiert durch die Fachschaft fand eine Demonstration statt. Aber auch die Professoren engagierten sich, schrieben Briefe an die Regierung und trafen sich mit Entscheidungsträgern. So soll die Literaturprofessorin Ulla Haselstein bei einer Geheimsitzung der Anglisten aufgetaucht sein und Unterstützung für das Amerika-Institut eingefordert haben. Stoibers Kabinett bekam sogar aus den USA Briefe, die sich für den Erhalt des Institutes einsetzen.
Als Kompromiss wurde das Institut in den nächsten Jahren als Department zusammen mit der Anglistik der Sprachwissenschaftlichen Fakultät 13 untergeordnet. Dabei konnten alle Professuren erhalten bleiben. In der Zwischenzeit war aber der Versuch mißlungen, das Institut an das Historicum anzugliedern. Professor Benesch bezeugt die Schwierigkeit der Zusammenführung mit der Anglistik, da das Amerika-Institut die vorangegangenen Dekaden damit verbracht hatte, sich explizit von der Personen-stärkeren Anglistik abzusetzen. Der Aushandlungsprozess dauerte mehrere Jahre bis man eine Balance zwischen zusammenfinden und sich abgrenzen gefunden hatte. Professor Michael Hochgeschwender sieht hierin die einmalige Chance, die das Amerika-Institut bekam. Dadurch, dass man als Kulturhistoriker organisatorisch nicht in die sprachwissenschaftliche Fakultät passte, interessierte sich keiner für das, was man machte, womit man machen konnte was man wollte! Das beinhaltete persönlichen Forschungsinteressen nachzugehen und allgemein den Rahmen der Kulturgeschichte auszureizen.
Die amerikanische Kulturgeschichte richtete sich in diesem Zuge ebenfalls neu aus. Was vorher Jazz, Musik und amerikanischer Humor war, wurde mit der Berufung von Michael Hochgeschwender 2004 und Christof Mauch 2007 immer mehr zu Religionsgeschichte, Politikgeschichte und Umweltgeschichte. Der von Bernd Ostendorf gedachte Wandel von populärkulturellen zu geschichtswissenschaftlichen Inhalten galt ein paar Jahre später als gelungen. Im Mittelbau hatte es schon vorher Lehrende gegeben, die politiologische Fächer in der Amerikanische Kulturgeschichte unterrichteten. Dr. Maike Zwingenberger, die heutige Geschäftsführerin des Amerikahauses, stellt ein Beispiel hierfür dar. Sie erinnert sich als Vertreterin des „Mittelbaus“ ebenso an den zeitgleich ablaufenden Bologna Prozess. Der EU-weite Prozess von 1999 bis 2010 namens European Higher Education Area (EHEA) führte das Bachelor und Mastersystem ein mit dem Ziel universitäre Einrichtungen vergleichbar zu machen. Die Diskussionen durchliefen in dieser Hinsicht die Frage ob man die Bezeichnung Amerikanische Kulturgeschichte durch American Studies ersetzen solle. Das speziell Münchnerische Format der amerikanischen Kulturgeschichte setzte sich durch.
Zur gleichen Zeit bekam das Amerika-Institut hohen Besuch aus Yale. Der Historiker David W. Blight war als Gastdozent angereist und arbeitete in einem Büro in der Schellingstraße 3 an seinem Buch zu Frederick Douglass. Eine relevante Anekdote in diesem Zusammenhang stellt der Brandanschlag in der Schellingstraße dar. Ein Drittel von David Blight’s Buchskript fiel den Flammen zum Opfer. Dieses Hindernis sollte Prof. Blight aber nicht davon abhalten einen New York Times Bestseller und Pulitzer Preis Gewinner zu schreiben.
Fast Pulitzerpreis-reif betätigte sich die Fachschaft mit ihrer Publikation des Magazins TheNewsBlast, welches von „News from Minnesota“, über Filmrezensionen bis zu Updates der Alumni Assoziation eine große Bandbreite an Themen vorwies. Außerdem gab es Ankündigungen für Pool Partys der Fachschaft für Studierende. In den darauffolgenden Jahren feierte man in der „Cafete“ (gemeint ist das StuCafé der Schellingstraße 3). Ebenso engagiert und bemüht war die Lehre. Die Seminare wurden anschaulich und interaktiv gestaltet, dabei wurde zum Beispiel das Seminar „Amerika und der Alkohol“ wörtlich im Raum 106 erlebt. Es gab eine Verkostung von karibischem Rum um dem Thema auf den Grund zu gehen. Den Grund des Glases sahen die Studierenden auch in dem von Professor Ostendorf mitgebrachten kalifornischen Rotwein, „der natürlich in unsere gut-recherchierten Seminararbeiten eingeflossen ist“, so Pete Camsky.
Pete Camsky arbeitet heute im angewandt transatlantischen Kontext im amerikanischen Generalkonsultat. Den Job hat er laut eigenen Angaben dem Institut zu verdanken: der Kurs mit Prof. Christof Mauch und die damit verbundene zehn-tages Exkursion nach Washington, DC, „sponsored by US Mission Germany […] hat mir meinen Job im Konsulat gelandet.“
Ein historischer Skandal am Amerika-Institut ereignete sich um Britta Waldschmidt-Nelson, Professorin der Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Universität Augsburg. Der Hintergrund des Skandals ist die Kündigung ihres Habilitationsvertrages durch die Verwaltung und ohne Absprache mit dem betreuenden Professor Bernd Ostendorf. Sie hatte ihre zweite Schwangerschaft angemeldet und wurde aus dem Grund gekündigt, dass sie deswegen wohl die Habil nicht fertigstellen werde. Besagte „Legende des AI“, Bernd Ostendorf, kämpfte für die Wiedereinstellung, welche glückte. Ihre Habilitation am Amerika-Institut setzte eine Präzedenz: Frauen können mit Kindern erfolgreich habilitieren. Britta Waldschmidt-Nelson hat nun drei Kinder und ist glücklich an der Universität Augsburg. Ihre Heimat bleit jedoch am Amerika-Institut, wo ihre Kinder schon in Bernd Ostendorfs Büro gewickelt wurden. Professor Hochgeschwender stimmt dem zu: das Amerika-Institut ist „Heimat.“